Aus der Bruchhausener Schützengesellschaft.

"Hundert Jahre Kampf um Fähnlein und Kleinod, 1611-1721"

 

Die noch im Spätmittelalter für notwendig erachtete Ausbildung der Männer in Stadt und Land in Armbrust und Büchse zum Schutze der Heimat verlor sich mit der Einführung stehender Heere. Doch führte der aus früheren Zeiten erhalten gebliebene Umgang mit diesen Waffen als Geschicklichkeitsübung und Männersport zu einer Neubelebung in der Form der sogenannten Schützengesellschaften teilweise schon vor dem Dreißigjährigen Kriege.

Man verstand es damals durch Pflege der Geselligkeit und religiöser Bräuche die enge Fühlung mit der Heimat volkstümlich zu gestalten. In bedeutenderen Orten mit eingesessenem Bürgertum nannten sie sich stolz "Schützengilden" auf selbständiger Grundlage. Unter kirchlichem Einfluß bildeten sich "Schützenbruderschaften"; Ehrengarden bei Prozessionen und anderen feierlichen Anlässen. Sie nannten sich nach dem heiligen Sebastian, St. Hubertus oder dem Pfarrpatron. Wo der kirchliche Einfluß überhaupt nicht oder nicht mehr hinreichte, nahmen mehrfach die adeligen Grundherren die Errichtung eigener "Schützengesellschaften" vor, die dann allerdings ganz auf das Wohlwollen der örtlichen Stammherren angewiesen waren. Zu der letzteren Art müssen wir die Schützengesellschaft im Corveyschen Bruchhausen an der Nethe rechnen. Hier bedeutete der Adelsherr bei gänzlichem Fehlen des Bürgerstandes und bei gleichzeitiger Abhängigkeit der Pfarrkirche (Eigenkirche) vom Großgrundbesitzer das A und 0 für den ganzen Ort.

Wie es vor ungefähr 300 Jahren bei den Bruchhausener Schützen ausgesehen haben mag, besagt die Original-Schützenordnung mit Unterschrift und Siegel des Junkers Friedrich Mordian von Kanne aus dem Jahre 1654, die sich im Kanneschen Hausarchiv zu Wehrden/Weser, jetzt im Besitz des Freiherrn von Wolff-Metternich, befindet.

Die Überschrift bezeichnet sie freilich schon als "Renovierte" Schützenordnung. Daraus ist zu schließen, daß bereits früher eine solche vorhanden gewesen sein muß.

"Demnach nun vor vielen Jahren hero, allhier zu Bruchhausen . . . diese Schützen-Ordnung, die vor diesem zur Zeyt seiner Vorfahren, der alten Kannen, von undenklichen Jahren gebräuchlich gewesen, wiederumb aufgerichtet und alle Jahre um einen Schützen-Meyster zu schießen wieder zugelassen."

Auf jeden Fall steht fest, daß bereits das Kaiserliche Reichskammergericht zu Speyer im Jahre 1611 auf die Beschwerde des Corveyer Fürstabtes Dietrich (Theodor) von Behringhausen eine Entscheidung gefällt hatte, welche die damaligen von Kanneschen Vormünder, Hermann von der

Mahlsburg und Philipp von Canstein zugunsten ihrer Mündel (Friedrich Mordian,.. .) herbeigeführt hatten.

"Weil die von Kannen in ihrem Dorffe Bruchhausen, dessen Feldmark und Holtzungen vorzeiten alle Jurisdiktion (Gerichtsbarkeit, Rechtsprechung), sowohl bassam seu inferiorem (niedere), als auch criminalem (Strafvollzug) praetendirt (beansprucht) und deßhalber wider Stift Corvey ahn Hoch preislichen Cammergericht zu Speyer kostbahren prozessus geführet, endlich aber in anno 1611, den 19. Februar, zwischen damals regirenden Fürsten und Capitul (in Corvey), sodann denen Kannischen Vormündern diese Streitigkeiten . . . in gutem bey gelegt und per transactionem (Vergleich) gehoben worden, welchem nach die Herren von Kanne bey ihrer Niederbottmäßigkeit oder Civiljurisdiction biß anhero ohngekränket belassen worden."

Als berechtigte Frucht dieser dem Herrn von Kanne zuerkannten Gerichtsbarkeit nennt Dr. H. Brandt, Bevollmächtigter des Fürstabtes Maximilian, das Recht zur Errichtung genannter Schützengesellschaft in Bruchhausen und zur Führung einer eigenen Fahne und des Kleinods.

Er beruft sich zudem auf die seit undenklichen Zeiten geübte Gewohnheit, nach der Scheibe zu schießen und Schützenfest zu feiern, ohne ausdrücklich die Erlaubnis des Landesherren eingeholt zu haben. Dr. Brandt hält diese Tatsachen für wichtig genug, sie seinem Mandanten von Corvey ernstlich zu bedenken zu geben, als wieder einmal Kompetenzstreit zwischen Corvey und Bruchhausen herrscht (1721).

Einerlei, ob mit oder ohne Kenntnis dieser Vorgänge von 1611, bezieht sich Erbherr Johann Wilhelm von Kanne im Jahre 1700 gleichfalls auf die von den Voreltern ererbten und lange unbehindert geübten Rechte an seiner Schützengesellschaft. Unangenehm aufgefallene und störende Verstöße unter den Schützenbrüdern veranlaßten nämlich den Junker, die bis dahin geltende Schützenordnung von 1654 neu und schärfer zu formulieren. Doch muß der neue Schutzbrief irgendwie wieder den Schützen abhanden gekommen sein, wie ihre Klage bei dem Grundherrn gegen den Bruchhausener Justitiar Mertens darzulegen sich bemüht. So wurde die erste Junihälfte 1706 zu einer hitzigen Kampfzeit. Der Sachwalter und Rechtsberater des Hauses von Kanne, Friedrich Berthold Mertens, mußte gegen einen Anprall von Beschwerden aus der Schützenreihe wegen Vorenthaltung, Verschleppung und Änderung des Schützenbriefes ankämpfen. Die Vorwürfe konnten allerdings nicht erwiesen werden. Die Folge waren Geldbußen für den Gesamtverein, Absetzung von Führern und Offizieren, sowie völlige Umbesetzung dieser wichtigen Stellungen.

Nicht von ungefähr bemüht sich um das Jahr 1700 der Junker Johann Wilhelm von Kanne zu Bruchhausen um die Neuordnung der einheimischen Schützengesellschaft, denn der derzeitige Fürstabt Florentius widmete sich aufmerksam den Schützengesellschaften seines Landes, umdie aus der Reformationszeit oder Kriegsunruhen entstandenen Lücken wieder zu schließen, woran auch sein Nachfolger Maximilian mit gleichem Eifer weiter arbeitete.

Der immerhin militärische und gemeinnützige Doppelcharakter der Schützengesellschaften fand seinen sichtbaren Ausdruck in der Führung einer eigenen Fahne und persönlicher Auszeichnung des besten Schützen durch das Kleinod. Dieses ist ein von Friedrich Mordian 1660 in Gestalt eines silbernen Vogels von 13 cm Länge gestifteter Wanderehrenpreis, den der jeweilige Schützenmeister - heute der Schützenkönig -‚ am Hute tragen sollte (Bild). Auch die Drenkesche Schützengesellschaft, die laut Schutzbrief des Fürstabtes Florentius am 28. Mai 1700 neu geordnet worden ist, erfreute sich des Besitzes eines solchen silbernen Vogels, der als Haisgehänge zusammen mit einer Medaille des hi. Landespatrons St. Vitus getragen wurde, leider aber in den letzten Nachkriegswirren verloren gegangen ist. Ebenso führten z. B. Bellersen und Kollerbeck im Hochstift Paderborn ein gleiches Kleinod.

Infolge der Unstimmigkeiten zwischen Johann Wilhelm von Kanne und seinen Schützen, sah der Grundherr die empfindlichste Strafe darin, ihnen das Kleinod abzunehmen und es nur gegen eine angemessene Geldbuße aus den Einkünften der Gesellschaft wieder auszuhändigen. Über die Haupträdelsführer verhängte er die harte Strafe dreistündigen Stehens am Schandpfahl. Aus den Reihen der betroffenen Schützen kam diesmal keine Erwiderung, bis die Angeprangerten sich entschuldigten oder Fürsprecher fanden. Ihre Buße wurde ermäßigt auf je eine Stunde "im Loche" zu sitzen. Jeder Bruchhausener oder Geschichtskenner weiß, daß der Gerichts- und Strafort die alte "Ferne" am Mühlengraben gewesen ist. Die Wogen der Erregung verliefen sich schließlich, und Johann Wilhelm setzte noch am 12. Juni 1706 die Ordnung vom 27. Juni 1700 durch Neuausstellung des auf 37 Einzelbestimmungen erweiterten Schutzbriefes wieder in Kraft. Als Ersatz für den im Hausarchiv leider fehlenden neuen Text bietet sich aus dem katholischen Pfarrarchiv, Band 1, von Bruchhausen eine gut erhaltene Abschrift zum bald folgenden Vergleich der beiden Schützenbriefe von 1654 und 1706 an. Voraus geht eine umständliche Begründung, welche doch wohl die Nachkommen der damaligen Schützen und die Mitglieder des jetzigen Heimatschutzvereins interessieren dürfte.

"Ich, Johann Wilhelm von Kannen, Erbherr auf Bruchhausen füge hier Männichlichen zu wiflen, alß meine in Gott ruhende Voreltern und demnächst ich meine hiesig hinterseßenen mit der Schützengeseilschaft auf gewisse Maaß privilegirt, mir einige Jahre hero aber von einigen Schützen selbst vielfältige Klagten vorgekommen, wie daß dabey zu ihren, der Schützen höchsten Schaden, ein haufen Mißbräuche, Unordnun gen und Unterschleife vorgeloffen und also bishero alles in Confusion hingelegen, dahero Unterthänig öfters gebethen, Ich alß dero Ordentliche Obrigkeit

Der jeweilige Schützenmeister soll bis zum nächsten Vogelschießen nach der Scheibe oder Ringschuß den Vogel am Hute tragen. An den ersten vier Sonntagen nach dem Feste und an den vier Hochfesten wird der Vogel auch in der Pfarrkirche Begleiter des Schützenmeisters sein.

Pflicht des Schützenmeisters ist, das Kleinod sorgfältig zu verwahren, andernfalls er Ersatz leisten muß.

Zur Freude der Schützen muß der Gewinner ein halbes Faß Bier spenden, wozu jeder Schütze zwei Groschen beitragen muß.

Beim geselligen Zusammensein müssen Zank, Fluchen, Schwören und persönliche Streitigkeiten unterbleiben, die allenfalls mit Einbuchtung "unter den Budden" oder Geldbußen für Arme geahndet werden sollen.

Es darf kein Wettrinken veranstaltet werden, niemand soll sich beim Biertrinken übernehmen, noch das Bier verschütten.

Protestierende Lärmmacher bei Strafverhängung werden zu allmählicher "Beruhigung" eingebuchtet werden.

Mangels der heute üblichen Polizeistunde ist das Fest mit dem Schließen des Zapfhahns zu Ende, also Feierabend.

Vor Verhängung härtester Strafen sollen die Senioren oder die Versammlung entscheiden.

Zum Vitusfeste wird unter Trommelwirbel mit geladenem Rohr beim Schützenführer angetreten, mit dem Schützenmeister unter der Fahne zur "Burg" gezogen, von da in Ordnung nach Corvey, beim Rückmarsch in gleicher Folge.

Die Schützenordnung von 1706 bringt bei großer Ähnlichkeit mit anderen aus der Nachbarschaft wesentlich nichts Neues, zeigt aber in verbesserter Sprache und Ausdruck eine klarere Fassung des Ganzen und ist, besonders in den Strafbestimmungen, ein Spiegelbild des fürstlichen Absolutismus, der auch auf den Landadel abfärbte.

Der Zuständigkeitsstreit mit Corvey

Während Fürstabt Florentius bei seinen Bemühungen um Wiederherstellung der Schützengesellschaften in seinem Bereich Bruchhausen unbehelligt ließ und auch sonst zu den dortigen von Kannen gute Beziehungen unterhielt, Kirche und Altar in Bruchhausen persönlich weihte und P. Benedikt von Kanne, Bruder Joh. Wilhelms mit der Verwaltung der hiesigen Pfarrei betraute, wehte unter seinem Nachfolger Maximilian von Horrich ein schärferer Wind. Die Kannesche Schützengesellschaft drohte, das Ansehen des Landesherrn zu untergraben. Gelegentlich des Landesfestes St. Viti traten die Unstimmigkeiten zwischen Corvey und Bruchhausen offen zutage. Den Anlaß bot ein Mandat Maximilians vom 2. Juni 1721, in dem bei Strafandrohung das Schießen verboten wurde.

Johann Wilhelm von Kanne ließ durch den Bruchhausisch-Kannischen Dorfrichter Heinrich Ridder das beabsichtigte Scheibenschießen abbestellen. Sofort am nächsten Tage schrieb der Erbherr an den Kaiserlichen Notar Franz Dietrich Rosemeyer zu Brakel:

"Der Herrn Notario . . . gebe hiermit zu verstehen, wie daß meine Voreltern vor Hundert und mehr Jahren in diesem meinem Dorf Bruchhausen eine Schützengesellschaft zum Scheibenschießen, jedoch die landesherrliche Hohen folge ohnpraejudicirlich (ohne Vorentscheidung) aufgerichtet, dieselbe auf gewisse maaß privilegyrt, auch zu deren etwayger Ergötzlichkeit mit so vielen Einkünften versehen haben, daß sie alle drey Jahre umb einen Schützenmeister schießen, und zwey Tage frey zechen oder zehren können, welches auch ohndenklich her, nach dem Inhalt des darüber errichteten Schützenbriefes, also ohne jemands Widerspruch quietissime (unangefochten) hergebracht und gesorget werden . . ." Wie denn nun die Schützen auf meine permission (Erlaubnis) sich zu diesem Scheibenschießen auf die zwey hochheiligen Pfingsttage ein geschicket, nöthiges Bier gebrawet, das benachbahrte guthe Freunde eingeladen und mitt dem fähndelein nach dem Schützenplatze, ich auch zum Dische umb zwölf Uhr zu gehen gestern (zweiten Juni) in procinctu gewesen, ist vom Hochfürstlichen Corveyschen Cammer-Secretario Herrn Kriethen von Ottbergen, auch unseren dasigen Sambtvogt Vieth Kirchhoff unter Ihro Hoch fürstlichen Gnaden, unseres gnädigsten Landtfürsten undt Lehnsherrn hoher Handt undt Secret gegenwertiges Mandatum (siehe zum 2. Juni) ein geschicket worden, wodurch mich höchstens gravirt (beunruhigt), und (ich) ferner nicht gravirt zu werden, gemüßigt befunden, d a g e g e n zu Erhaltung meines Rechtes und Gerechtigkeit alle zulässige gemeinen Rechtes und absonderlich das heilsahm erlaubte beneficium appellationis (Einspruchsrecht) zum Reichsgerichtshof, oder hoch preislisch Kaiserliches Cammergericht elective (beliebig) zu ergreifen, undt ahn Handt zu nehmen . .

Vorgenannter Notar Roserneyer machte die Corveyer mit dem Inhalt der Beschwerdeschrift bekannt. Deren Einwand besagt, für das Scheibenschießen in Bruchhausen sei nicht Herr von Kanne zuständig, es sei vielmehr ein Regale, d. h. landesherrliche Befugnis, wie auch in Wehrden und in Amelunxen. Sie müßten gegen diese Appellation vor dem Notar protestieren. Gleichzeitig beschwerten sie sich wegen unangemessenen Empfanges durch die Schützenführer.

Die Schützenoffiziere ihrerseits beriefen sich auf die bisher ungestörte Gewohnheit des Schießens und Fahnengebrauchs. Sie verwahrten sich gegen ungebührliche Behandlung in der Öffentlichkeit durch die Corveyer Abgesandten. Nach einigen Tagen des Abwartens sprach Johann Wilhelm am 12. Juni 1721 dem Notar gegenüber seine Befürchtungen aus, es möchten bei der bevorstehenden Vitusfeier zu Corvey die Bruchhausener Schützen wegen des Fähnleins und des Kleinods unliebsamen Störungen

ausgesetzt sein. Der Herr Notar wolle am Landesfeiertag (15. Juni) an geeigneter Stelle unauffällig alle Vorgänge beobachten und schriftlich festhalten.

Höhepunkt der Beunruhigung

Tatsächlich steigerte sich die unausbleibliche Auseinandersetzung am 15. Juni bis zum Höhepunkt. Ohne daß es den Bruchhausenern vorher bekannt geworden war, beobachtete Notar Rosemeyer die weitere Entwicklung gegen 10.00 Uhr vormittags bei der "Lühr" am Lüchtringer Wege vor Beginn der Prozession. Da erschien der Corveyer Landeshauptmann von Sighart und sprach die Bruchhausener Schützen an, der Landesherr wolle ihnen ein neues Fähnlein zum Geschenk machen. Schützenführer (Capitän) Fritz Lumphose erwiderte: Wir haben ja ein Fähndlein, so uns die Herren von Kanne gegeben und (wir) von ohndenklichen Jahren ruhig gehabt haben.

Der Kaiserlich-Reichskamrnergerichtsspruch

Die Appellation des Herrn Johann Wilhelm von Kanne an das höchste Reichsgericht in Wetzlar nahm einen ungeahnt schnellen Verlauf. Die Kammerentscheidung erfolgte bereits am 17. Juli 1721, worauf zwischen dem 29. Juli und 2. August der Bescheid den Parteien zugestellt, den der Beauftragte Joachim Friederich Diderich aus Wetzlar überbrachte.

Der Spruch des Kammergerichts in dem damals recht umständlichen Amtsdeutsch mit stehenden Formeln wurde eingeleitet durch die zahlreichen Titel des Kaisers:

"Wir, Carl VI., von Gottes Gnaden, Erwehlter Römischer Kayser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, König in Germanien, zu Hispanien, Hungarn, Boheimb, Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Ertzhertzog zu Oesterreich, Hertzog zu Burgund, Kärndten, Crain und Würtemberg, Graf zu Tyrol entbieten dem Ehrwürdigen, Unsern und des Reiches Fürsten und lieben Andächtigen Maximilian, Abte des Stifts Corvey, sodan dem Ehrsamen und Gelährten, Unserem lieben Getrewen Herrn Dr. Arndt, Cammer-Verordneten, Direktorn und Räthen, nicht weniger N. Vogelio* alß in dieser Sache Apellantischem (von Kanne) Advocato, Unsere Gnad und alles Guths."

Ehrwürdiger Lieber Andächtiger!

Sodann Ehrsame Gelährte Liebe Getrewen!

Was ahn Unsern Kayserlichen Cammer-Gericht auch unser und des Reichs getrewer Johann Wilhelm von Kanne, Erbherr zu Bruchhausen, Unterthänigst vor- und angebracht, welches ist ab Beykommenden Supplicationen und Anlagen breiteren Inhalts zu ersehen . . . Hierumb, so gebiethen wir der Andacht und Euch Direktorn und Räthen ...‚ die mit Gewalt denen Schützen abgenommenen Vogell, Kleinodt und Fähnlein sofohrt und ad locum, unde restituirn (wohin sie gehören, zurüclezuerstatten). Ferner aber Euch weiteres Verfahren in dieser Sache gäntzlich enthalten sollen. In unser und des heyligen Reichs Stadt Wetzlar den siebenzehnten Tag Monaths Juli, nach Christi, unseres lieben Herrn Gebuhrt im Siebenzehnhundert Ein und Zwanzigsten Unseres Reichs, des Römischen im zehnten, des Hispanischen im achtzehnten, des Hungarischen und Boheimbschen aber in Elf Jahren.

Ad mandatum Domini Electi Imperatoris Pro prium (Auf Sonderbe fehl des erwählten Herrn Kaisers)

gez. Wolfgang Ignatius Fries, Kayseri. Cammergerichts Cantzley.

Nicht ohne weiteres wollten sich der Fürstabt und sein Kanzler mit der kaiserlich-kammergerichtlichen Entscheidung über die Bruchhausener Schützengesellschaft abfinden. Doch ein Rechtsgutachten des Juristen Dr. Arndt an den "Durchleuchtigsten Fürste Römisch Kayserlichen Cammerrichter, gnädigsten Fürsten und Herrn Abt Maximilian" kommen noch schwerwiegende Gründe zugunsten des Herrn von Kanne an das Tageslicht. Schon früher bezog sich unsere Schrift auf die erstmalige Entscheidung des Kammergerichtes zu Speyer im Jahre 1611. Dr. Brandt brachte Beispiele aus dem Hochstift Paderborn herbei, wonach unter den Herren von der Asseburg und von Haxthausen in ihrem "Sambt-Dorff Hembsen" gleiche Verhältnisse wie in Bruchhausen bestehen sollten. Dr. Brandt bezieht sich auch auf die bereits mehrmals erwähnte, durch lange Zeit ungestörte Übung der Schützen in Bruchhausen. Diese "sei zu conserviren und zu unterhalten und zu manutenieren".

Solche Darlegungen des Juristen, die doch Fürstabt Maximilian eigens erbeten hatte, mögen dazu beigetragen haben, sich mit dem Kaiserlichen Mandat des Reichskammergerichts abzufinden, weitere Einwände zurückzustellen und den Weg des Vergleichs zu beschreiten. Maximilian ist noch im Jahre 1721 gestorben. Entsprechend dem Wetzlarer Richterspruch liegt im Hausarchiv von Kanne ein ausführlicher Vergleichsvorschlag vor, der beiderseitige Wünsche berücksichtigen sollte. Für die angeordnete Rückgabe des Kleinods sei ein bestimmter Ort zu vereinbaren. Nach dem Wunsche des Abtes müsse der Vogel durch Verbindung mit einem Bildnis des Kirchen- und Ortspatrons von Bruchhausen St. Laurentius seine bisher rein weltliche Bedeutung wandeln, um würdig zur Vitusfeier unter den sonstigen religiösen Abzeichen der anderen Gemeinden des Corveyer Landes mitgeführt zu werden.

Auch über das Fähnlein kam eine Einigung zustande. Bei der Vitusfeier sollte Bruchhausen die Corveyer Fahne zusammen mit der Kanneschen Fahne führen, vorher aber und bei der Rückkehr auf kannesches Gebiet solle die Corveyer Fahne eingerollt sein. Damit scheint der Fürstabt mit dem dritten Vorschlag die Rechte des Herrn von Kanne anerkannt zu haben. Spätere Versuche, den Vergleich umzuwerfen, wie ein letztes, unbestätigtes Gutachten vorschlägt, blieben ohne Erfolg. Aus dem 18. Jahrhundert nahmen die Bruchhausener Schützen das von ihnen in Ehren gehaltene Kleinod hinüber in das 19. und 20. Jahrhundert unserer Tage. Die Fähnlein mögen nochmals erneuert sein bis auf die letzte Kannesche Fahne, eine Stiftung des Freiherrn Philipp Franz Joseph, mit dem Hauswappen im Lorbeerkranz und der Inschrift:

"Sequantur me recte sentientes, 1812"

(Rechtlich denkende mögen mir nachfolgen).

Neuerdings trat eine moderne Fahne an ihre Seite. Mit der Auflösung des heiligen Altreiches gingen die Corveyer und die Bruchhausener Herrlichkeit unter, die Schützengesellschaft hat beide überdauert.

Geistl. Rat, Pfarrer i. R. Kesting

 

 

Der Bericht Pfarrer Kestings von dem Kampf um Fähnlein und Kleinod gibt einen Einblick in die Vergangenheit Bruchhausens. Er zeigt insbesondere etwas von den Aufgaben und Problemen, die die Zeit zwischen 1611 und 1721 für die damalige Schützengesellschaft, dem heutigen Heimatschutzverein, mit sich brachte.

Die Aufgaben haben sich in den knapp vier Jahrhunderten ihres Bestehens (seit 1573) grundlegend gewandelt. Die Schützenkompanien ziehen heute nicht mehr aus, ihr Heimatdorf zu verteidigen oder Überfällen und Bränden zu wehren. Das können sie getrost staatlichen Organen überlassen. Aber die Pflege staatsbürgerlicher Tugenden und die Förderung des Gemeinsinns, der den einzelnen dazu bewegt, sich für die Gemeinschaft einzusetzen, liegen bei ihnen in guten Händen. Der Heimatschutzverein Bruchhausen hat sich deshalb auch zum Ziel gesetzt, die natürliche und geschichtliche Eigenart des Dorfes Bruchhausen und der westfälischen Heimat zu erhalten, zu verschönern und sinnvoll weiter zu entwickeln. Hierzu zählt vor allem die Pflege der heimatlichen Verbundenheit, des heimatlichen Brauchtums, der Dorfgemeinschaft und die Abhaltung und Ausgestaltung von Heimatfesten, sowie die Förderung des Schießsports.

Der Heimatschutzverein ist seit 1964 Mitglied des Familienverbandes derer von Brockhusen, von Brockhausen und von Bruchhausen.

Früher lag die Führung des damaligen Schützenvereins bei dem gewählten "Oberst". Der Zeit entsprechend wurde 1957 erstmals ein Vorstand gewählt. Am 20. Januar 1963 gab sich der Verein eine Satzung und wurde am 2. 7. 1963 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Beverungen eingetragen.

Nach dem Beitritt des Schützenvereins in den Westfälischen Heimatbund (1937) erfolgte die Umbenennung in "Heimatschutzverein".

Die Vorsitzenden waren:

1873-1899 1. Vorsitzender und Oberst: Franz Hesse sen.

1900-1920 1. Vorsitzender und Oberst: Franz Hesse jun.

1921-1956 1. Vorsitzender und Oberst: Johannes Hillebrand

1957-1958 1. Vorsitzender: Heinrich Kleibrink; Oberst: Willi Siebrecht

1959-1963 1. Vorsitzender: Heinrich Grothe; Oberst: Willi Siebrecht

1964-1965 1. Vorsitzender: Heinrich Grothe; Oberst: Willi Hesse

ab 1966 1. 1. Vorsitzender: Heinrich Bürger; Oberst: Willi Hesse



DIE MAJESTATEN DER BRUCHHAUSENER SCHÜTZENFESTE (Laut Chronikbericht)

1875 König: August Glänzer

1885 König: August Glänzer

1889 König: Julius Wittmann; Königin: Ehefrau des Bauern Ferdinand Hillebrand

1893 König: Wilhelm Rotthaus; Königin: Anna Hesse

1896 König: Rudolf von Brill; Königin: Franziska Kronenberg
Kronprinz: August Glänzer; Kronprinzessin: Ida Gaentsch

1904 König: Heinrich Glänzer; Königin: Sophie Hahn
Kronprinz: Josef Kronenberg; Kronprinzessin: Frieda Wendt

1908 König: Heinrich Bürger; Königin: Maria Bremer
Kronprinz: Fritz Ide; Kronprinzessin: Sophie Bremer

1921 König: Heinrich Grothe; Königin: Frau Diederichs
Kronprinz: Wilhelm Blome; Kronprinzessin: Anne Bremer

1927 König: Karl Groppe; Königin: Else Topp
Kronprinz: Georg Diederichs; Kronprinzessin: Mimmi Bremer

1935 König: Wilhelm Diederichs; Königin: Auguste Blome
Kronprinz: Fritz Blome; Kronprinzessin: Mathilde Osterholz

1939 König: Karl Topp; Königin: Maria Brautlecht
Kronprinz: Helmut Siebrecht; Kronprinzessin: Theresia Breker

1949 König: Wilhelm Schuster; Königin: Agnes Bielemeier
Kronprinz: Willi Siebrecht; Kronprinzessin: Maria Brautlecht

1953 König: Heinrich Grothe jun.; Königin: Emmy Franke
Kronprinz: Karl-Heinz Diederichs; Kronprinzessin: Mathilde Hillebrand

1957 König: Fritz Schäfers; Königin: Hilde Schmitz
Kronprinz: Felix Bracht; Kronprinzessin: Elli Dorroch

1961 König: Franz Soethe; Königin: Gertrud Bünte
Kronprinz: Ferdinand Hillebrand; Kronprinzessin: Ilse Diederichs
Brunnenprinz: Hans-Gerd Brenke

1965 König: Heinrich Bürger; Königin: Gertrud Oebbeke
Kronprinz: Heinz Rode; Kronprinzessin: Judith Hesse
Brunnenprinz: Burkhard Schmitz

1969 König: Ludwig Spieker; Königin: Helma Wendt
Kronprinz: Willi Bürger; Kronprinzessin: Irmgard Diederichs
Brunnenprinz:

  
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